Laufen mit Diabetes Typ 1

Veröffentlicht am 5. Mai 2021 um 08:00

Laufen mit Diabetes Typ 1?!

 

Na klar, warum sollte man mit Diabetes Typ 1 nicht laufen können?

Die ganze Sache ist nur etwas komplizierter als bei einem gesunden Menschen.

Ich habe seit 1988 Diabetes Typ 1 und erzähle euch mal, wie es bei „MIR“ ist, wenn ich laufen gehe.

 

Die meisten von euch kennen es so: Es ist gerade schönes Wetter, man hat gerade etwas Zeit, man ist von irgendwas genervt oder man hat einfach nur gerade richtig Lust zu laufen. Was macht ihr dann? Genau, ihr zieht euch die Laufschuhe an und schon kann es losgehen!

 

Bei  mir sieht die Sache etwas anders aus. Ich muss meinen Lauf im Vorfeld gut planen.

Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle: 

Wie weit möchte ich laufen?

Wie lange brauche ich ungefähr dafür?

Wann habe ich das letzte Mal Kohlenhydrate gegessen?

Wie viel Insulineinheiten habe ich dafür abgegeben?

Wie viel Insulineinheiten wirken davon noch in meinem Körper?

Wie hoch ist mein aktueller Blutzuckerwert? Fragen über Fragen!

 

Ich laufe am liebsten morgens und das aus einem guten Grund. In der Nacht habe ich nur meine Insulingrundversorgung (Basal) im Körper und so habe ich beim Aufstehen, kein Mahlzeiteninsulin (Bolus) im Körper wirken. Das Insulin wirkt 5-6 Stunden im Körper und wenn ich jetzt noch aktives Insulin einer Mahlzeit im Körper habe, ist die Gefahr einer Unterzuckerung beim Laufen sehr groß, weil Sport den Zucker senkt.

Wenn ich jetzt nach dem Aufstehen laufen möchte, habe ich also kein aktives Insulin im Körper wirken und habe dadurch schon mal das Risiko einer Unterzuckerung beim Laufen verringert.

Ich schaue also nur auf meinen aktuellen Blutzuckerwert und überlege wie weit ich laufen möchte. Je nach dem, esse ich dann ein paar Kohlenhydrate, damit mein Blutzucker steigt und beim Laufen stabil bleibt.

 

Wenn ich nachmittags oder abends laufen möchte, versuche ich, dass die letzte Mahlzeit plus Bolus 5 Stunden her ist. Mit viel aktivem Insulin neige ich zu Unterzuckerungen beim Laufen. Oder ich laufe direkt nach der Mahlzeit ohne einen Bolus abzugeben, diesen gebe ich dann verspätet während des Laufens ab, damit der Blutzuckerwert nicht zu stark ansteigt.

Alle Strecken ab ca. 10 km muss ich planen, kürzere gehen auch mal so.

Ich habe das große Glück, dass es in der heutigen Zeit ausgereifte Techniken gibt, die mir das Leben erleichtern.

Ich trage eine Insulinpumpe (tslim x2) und ein CGM (Dexcom G6). Dadurch muss ich mir nicht ständig mit einer Spritze Insulin zufügen und auch der Fingerpiks zum Blutzuckertest bleibt mir erspart. Die Pumpe gibt mir kontinuierlich Insulin ab (Basal) und zu den Mahlzeiten drücke ich „nur“ ein paar Knöpfe und schon bekomme ich zusätzliches Insulin (Bolus) verabreicht. Das CGM misst kontinuierlich meinen Gewebezucker und zeigt mir alle 5 Minuten einen neuen Wert an. Diesen kann ich auch auf meiner Laufuhr sehen, so habe ich beim Laufen alles im Blick.

Ich kann bei der Pumpe auch die Basalrate absenken, damit ich zum Laufen weniger Insulin im Körper habe und keine zusätzlichen Kohlenhydrate essen muss. Dieses muss ich aber mindestens 2 Stunden vor dem Laufen machen, damit es auch eine Wirkung hat.

Als ich mit dem Laufen anfing und nur kurze Strecken gelaufen bin, war mein Blutzucker kein Problem. Da ich aber mittlerweile meistens über 10 km laufe, ist eine gute Planung Voraussetzung.

Ich trage immer eine Bauchtasche, in der ich mein Handy, Insulinpumpe und ganz wichtig Traubenzucker drin habe. Bei Strecken über 25km nehme ich auch noch zuckerhaltiges Gel mit.

Trotz guter Planung, kann es natürlich vorkommen, dass der Blutzuckerwert sinkt und ich ihn trotz Traubenzucker nicht hoch bekomme, da der Körper während des Laufens mit anderen Dingen beschäftigt ist und den Traubenzucker nicht so schnell verarbeiten kann wie im normalen Zustand. Dann breche ich den Lauf zur Not ab, dies ist aber bisher nicht so oft vorgekommen. Genauso kann es aber auch passieren, dass der Blutzuckerwert beim Laufen zu stark ansteigt. Dann gebe ich während des Laufens ein wenig Insulin ab, damit der Blutzuckerwert sinkt.

Ihr seht, deswegen ist spontanes laufen nicht so einfach.

Dies hält mich aber nicht vom Laufen ab und mittlerweile bin ich auch schon dreimal die Marathondistanz gelaufen!

 

Alles ist möglich, wenn man möchte!

 

Verfasserin:

Heike F. aus Mönchengladbach 

Mitglied der the_running_moms seit 2019

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Kommentare

Julia
Vor 4 Jahr

Vielen Dank für diesen schönen Blog. Ich wusste nicht, dass es so viel Planung bedarf um mit Diabetes zu laufen. Sehr interessant!

Claudia
Vor 3 Monate

Hi. Vielen Dank für diese tollen Worte. Sie ermutigen mich, weiter zu machen. Und herzlichen Glückwunsch zu diesen tollen Läufen. Hut ab zu soviel Mut. Ich bin 54 Jahre, habe seit 43 Jahren Diabetes Typ 1. Bin gerade erst wieder begonnen vor ca 5 Monaten. Bei ca 5 km bin ich ohne Pause gut durch gekommen. Natürlich mit viel Höhen und Tiefen. An sich habe ich Ideen für Tshirt mit extra kleinen Taschen oder Erfahrungen gesucht. Auch kleine Rucksäcke mit Vorräten für diese Läufe habe ich schon gesehen. Eine Laufhose mit 6 Taschen habe ich bereits.... ich suche noch etwas weiter. Vielleicht habt ihr Ideen?
Weiterhin alles Gute und viel Erfolg.

Bodil Wohlert
Vor einem Monat

Hallo Heike,
Ich bin auch Diabetikerin Typ I, ich bin in Bremen den Megamarsch 50 km und in Berlin den Mammut Marsch 55 km mit gewalkt. Ansonsten versuche ich 2 x die Woche meine Runde nordic walking jeweils ca 11 km zu absolvieren.
Ich habe keine Pumpe und immer ein Mars für den Notfall dabei. Aber wenn der Lauf- Spritzabstand groß genug ist habe ich keine Probleme. Bei den 55 km in Berlin hatte ich mein Insulin vergessen und hatte eigentlich, trotz Nahrungsaufnahme unterwegs, recht gute Werte.
Nur mal eben einen Kurzbericht über meine Erfahrung beim Laufen.
Viele liebe Grüße
Bodil
PS. Ich bin 64 Jahre und spritze seit 1986 Insulin.
Freue mich über eine Nachricht von dir.